Archiv für den Monat: April 2015

Machen, nicht labern!

„Zuerst scheint die Arbeit des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses zum „Nationalsozialistischen Untergrund“ dermaßen langsam voranzugehen, dass sogar die regionale Presse ungeduldig wird. Dann überschlagen sich die Ereignisse. Und nun? Glaubwürdigkeitskrise pur – vermutlich nicht zum letzten Mal.“

Zum aktuellen Stand des NRW-Untersuchungsausschuss haben sich die Leute der „autonomen Stattzeitung für Politik und Kultur in Düsseldorf und Umgebung“ Terz Gedanken gemacht. Der Artikel der Aprilausgabe ist hier nachzulesen.

Weitere Informationen zum NRW-Untersuchungsausschuss auf nrw.nsu-watch.info!

Angriff weiterhin ungeklärt

Probsteigasse-0509
Vor knapp drei Monaten gab es den Versuch von ca. 50 extrem rechten Hooligans und Neonazis die Gedenkveranstaltung zum Anschlag des NSU in der Kölner Probsteigasse anzugreifen. Bewaffnet wurden sie wenige hundert Meter vorher von der Polizei gestoppt.
Die Priatenpartei thematisierte den versuchten Angriff als kleine Anfrage an die Landesregierung in NRW und erhielt folgende Antwort, die hier nachzulesen ist. Das Dokument enthält kaum aufschlussreiche Informationen. Weder die Tatsache, dass die Gruppe erst unmittelbar am Gedenkort gestoppt werden konnte, wird kritisch hinterfragt, noch die laschen „Maßnahmen“ nachdem die Gruppe gekesselt wurde. Ein versuchter bewaffneter Angriff auf Menschen, die an einem NSU Tatort einem rechtsterroristischen Bombenanschlag gedenken, wird demnach mit „Personalienfeststellung“ abgehandelt. Ebenfalls lagen der Kölner Polizei seit 17 Uhr „Erkenntnisse“ vor, dass es einen Angriff geben könnte. Dies wurde weder der Anmelderin der Kundgebung, noch den Versammlungsteilnehmern vor der Veranstaltung mitgeteilt. Weiterhin unklar bleibt, woher die Polizei ihre Erkenntnisse hatten und welchen Zusammenhang es zu der „Hogesa-Kundgebung“ in Essen gab. Unter den „kontrollierten“ 29 Angreifern waren nämlich nur drei zuvor in Essen in Erscheinung getreten.
Interessant ist, dass entgegen der Pressemeldungen und Angaben der Polizei die Angreifer „insbesondere aus Köln“ kamen.

Augenschein des Terrors: Ein Besuch der NSU-Tatorte

Nach bald 200 Verhandlungstagen am Oberlandesgericht München ist der NSU-Prozess zu einer Art Alltagsgeschäft geworden. Als Beobachter und Dauergast auf der Zuschauertribüne wird es zunehmend schwieriger, dem zu entgehen, was man als einen „Terror der Intimität“ beschreiben könnte. Ähnlich negativ berühren die NSU-Tatorte und die Formen des Gedenkens.
Es sind bisweilen trostlose und geradezu banale Orte, an welchen die Menschen, um die es in diesem Prozess geht, brutal ermordet oder durch Bomben verletzt wurden. Eine meiner „NSU-freien“ Wochen vor Gericht habe ich darauf verwendet, die crime scenes des NSU aufzusuchen. Dabei ging es nicht um Tatort- Hopping, sondern um den Versuch, sich den Ermordeten auf eine andere Art und Weise zu nähern. Und es ging um die Frage des Erinnerns.
In Hamburg ist der Text des Gedenksteins nicht mehr zu lesen, in Dortmund hat sich längst der winterliche Grauschleier der Autoabgase auf der hässlichen Gedenkplatte neben der Fahrbahn der Mallingrothstraße abgesetzt. Und in Nürnberg erklärt der Spruch auf einer der Gedenktafeln für Enver Şimşek ihn zum „Fremdling“. Man fragt sich, wie ein angemessenes Erinnern an die Getöteten und die Hintergründe ihrer Ermordung aussehen könnte. Wie kann der Zu- sammenhang zwischen gesellschaftlichem und institutionellem Rassismus herstellt werden? Wie kann man auf die staatlichen Verstrickungen hinweisen? Weder an diesen Orten noch im Gerichtssaal ist etwas davon zu spüren, dass der NSU-Prozess als Anstoß für eine gesellschaftliche, juristische oder politische Aufarbeitung gesehen wird.

Prozessbeobachter Friedrich C. Burschel vom Bayrischen Flüchtlingsrat hat die Tatorte des NSU aufgesucht. Dabei entstand eine Bildserie, die ihr euch hier anschauen könnt:
Bildserie im pdf-Format