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Wir lassen nicht locker: Spurengang 2.0

Demonstration und Aktionen:
20.06.2015
Köln – Alter Markt

Am 9. Juni jährt sich der Nagelbombenanschlag des NSU auf die Keupstraße zum elften Mal. Nach dem Anschlag ermittelten die Behörden gegen die Betroffenen, die Angehörigen und deren Umfeld. Ein rassistisches Tatmotiv wurde ausgeschlossen. Auch nach der Selbstenttarnung des NSU 2011 ist vonseiten der Stadt wenig passiert, um das Versagen in Bezug auf den Anschlag aufzuarbeiten. Bis heute wurde niemand zur Verantwortung gezogen, der an den rassistischen Ermittlungspraktiken beteiligt war. Zudem fehlt immer noch eine umfassende Aufklärung der Rolle von Politik und Behörden in den Ermittlungen.

Auch elf Jahre nach dem Anschlag in der Keupstraße darf das Thema NSU-Komplex nicht ausgeblendet werden. Städtisches Gedenken aber findet nur da statt, wo gesellschaftliche Forderungen danach zu laut sind, um ignoriert zu werden. In der Keupstraße gibt es beispielsweise erst eine Beteiligung einzelner Politiker*innen, seit etablierte Größen der Kölner Musikszene ihr Engagement bekannt gaben. Am ersten Kölner Anschlagsort, der Probsteigasse, ist bis heute vonseiten der Stadt nichts passiert.

Stattdessen bleibt die Stadt lieber weiter „auf dem rechten Auge blind“. Im Januar versuchten etwa 50 Neonazis, eine antifaschistische Gedenkveranstaltung in der Probsteigasse anzugreifen – zum Glück erfolglos. Obwohl die zum Teil schwer bewaffneten Nazis zuvor auf einer HoGeSa-Kundgebung in Essen aufgefallen waren, konnten sie sich von den Ermittlungsbehörden unbehelligt bis nach Köln bewegen. Eine Reaktion der Stadt auf den versuchten Angriff blieb völlig aus. Die Untätigkeit der Polizei und das Schweigen der Stadt zeigen auch hier, dass immer noch institutionelle Strukturen bestehen, die rechte Gewalt systematisch ignorieren und verharmlosen.

Bei unserem (Mit-)Täterspurengang im letzten Jahr haben wir die Anschläge auf die Probsteigasse und die Keupstraße in Verbindung gebracht und aufgezeigt, welche Rolle Politik, Sicherheitsbehörden und die Medien direkt nach den Anschlägen spielten. Dieses Jahr beleuchten wir die Kontinuitäten der Kölner Stadtpolitik im NSU-Komplex. In Anbetracht der Tragweite des Versagens der Kölner Behörden ist klar, dass kein Interesse an einer Aufklärung von Seiten der Stadt besteht. Das müssen wir ändern! Nur durch dauerhaften gesellschaftlichen Druck können wir erreichen, dass die Behörden ihr Handeln nicht mehr unter den Teppich kehren können. Dass unsere Forderung nach einer umfassenden Aufklärung ankommt. Dass die Perspektive der Betroffenen rechter Gewalt ernst genommen wird.

Wir bleiben dabei: Erinnern heißt Handeln!

Rückblick: (Mit-)Täterspurengang

14338097726_c5e3f448b1_z10 Jahre nach dem Nagelbombenanschlag in der Keupstraße. Erinnern heißt handeln.

Zahlreiche kreative Spuren wurden am Freitag, den 6. Juni, bei einem (Mit-)Täterspurgengang von der Antifa Koordination Köln & Umland (AKKU) in der Kölner Innenstadt hinterlassen. Erinnert wurde mit Transparenten, künstlerischen Aktionen und einer Gedenkplakette dabei nicht nur an den rechtsterroristischen Anschlag in der Keupstraße, sondern auch an eine andere Tat des NSU, an den Bombenanschlag in der Kölner Probsteigasse.

Rund 150 Anti-Rassist_innen starteten in Köln-Deutz, um stellvertretend Orte und Mittäter_innen aufzusuchen,die bei der Mordserie des NSU sowie deren Nicht-Aufklärung eine Rolle spielten und immer noch spielen. Am Finanzamt erzählten der Geschäftsinhaber und Geschädigte Arif Sadic und der Ehren-Vorsitzende der Initiative Keupstraße Mitat Özdemir davon, wie die Finanzbehörde die Ladeninhaber_innen nach dem Anschlag unter Druck setzten, da die Täter_innen im Umfeld der Opfer vermutet wurden. Ohnehin traumatisierte Menschen wurden unter anderem durch diese Behandlung zusätzlich traumatisiert.
„Von einem Augenzeugen ganz persönlich zu hören, wie demütigend und schikanierend die Behandlung seitens Polizei und Behörden war, führt das gewaltige Ausmaß von Rassismus in der unserer Gesellschaft erschreckend vor Augen“, so Lisa Müller, Sprecherin der Antifa‘Koordination Köln&Umland.

Weiterhin thematisierte der (Mit-)Täterspurengang die politisch Verantwortlichen für die rassistischen Ermittlungen, die Fortschreibung des Rassismus‘ in den Medien sowie die einseitige und drangsalierende Ermittlungsarbeit der Polizei. Schließlich haben diese staatlichen Behörden und gesellschaftlichen Institutionen mit ihren Ermittlungsmethoden und ihrer Berichterstattung dazu beigetragen, die rassistische Grundstimmung in Deutschland weiter zu befeuern. Angegriffen wurden auch die aktuellen Entwicklungen, bei denen Politiker_innen wie Horst Seehofer mit rassistischen Umschreibungen eine Politik durchsetzen, die auf Abschottungen setzt und Migrant_innen nach „wertvoll“ und „wertlos“ unterscheidet.
Kritisiert wurden ebenfalls die Politiker_innen, die sich im Zuge des Jahrestages des Anschlags über die Mordtaten des NSU empören, ohne die eigene Rolle zu hinterfragen und Konsequenzen zu ziehen.

Von dem Leid und der Angst, die der Anschlag auf ein Lebensmittelgeschäft in der Probsteigasse 2001 auslöste, berichtete die Anwältin der Nebenklage beim Münchner NSU-Prozess, Edith Lunnebach. Bei dem Anschlag detonierte ein Sprengsatz in einem Lebensmittelgeschäft, der die Tochter des Ladenbesitzers schwer verletzte. Nur durch ein Wunder kamen weitere Personen nicht zu schaden.
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Auf der Abschlusskundgebung wurde an diesen zweiten Kölner Anschlag erinnert und gefordert, auch die zur Verantwortung zu ziehen, die bis heute eine lückenlose Aufklärung der NSU-Anschläge verhindern und keine Konsequenzen ziehen wie den Verfassungsschutz. Der (Mit-)Täterspurengang endete mit einer Schweigeminute und mit dem Anbringen einer Gedenkplakette in der Probsteigasse.

Der „(Mit-)Täterspurengang“ fand im Rahmen der Veranstaltungsreihe der Inititative „Keupstraße ist überall“ zum zehnten Jahrestestag des Nagelbombenanschlags in der Keupstraße statt.